Dienstag, 3. Januar 2012

Ensveg, Streggie, Releggie?

Seit ich "nix mehr von Tieren" esse, "leide" ich wie so viele andere auch unter einer selektiven Wahrnehmung. Plötzlich liest man an jeder Ecke etwas von Veganern, jeder Mensch kann dazu die eine oder andere Horrorgeschichte erzählen und die zahlreichen Bio-Läden in meiner jeweiligen Umgebung habe ich früher auch nie gesehen. Mich interessieren jetzt auch Beiträge im Fernsehen. So einiges habe ich gesehen und mein Eindruck ist, dass der reale Veganer im TV sehr oft ganz bewusst als spleeniger, weltfremder Vollidiot dargestellt wird, der in der Gesellschaft nicht unbedingt positive Gefühle weckt. Und - schwupps - liegt man mit diesen Leuten in einem Sack. Das ist blöd. Der Begriff Veganer - aus meiner Sicht auch eher nervig - ist tendenziell stark Ideologie-getrieben. Vielleicht zu stark. Zumindest für mich. Meine Kinder essen Lyoner und mein Kollege Sauerbraten, ohne dass mir sponatan ein "Ihr Leichenfresser!" beschimpfed über die Lippen geht. Gibt es einen Begriff für den, der sich vegan ernährt und trotzdem nicht zum verkrampften Missionar mutiert? Strenger Vegetarier? Streng? Nein, das bin ich nicht. Relaxed Veggie = Releggie - oder entspannt strenger Vegetarier = Ensveg oder Streggie. Nun gut, ob die Auftritte von Langhans, Rütting und Co. langfristig etwas Sinnvolles, Positives Bewirken, dass will ich gar nicht bezweifeln. Trotzdem nervt mich diese polemische Quatschlaberei. Seit Jahrzehnten lehren uns Erziehungswissenschaftler und Führungsexperten, dass Menschen positiv ausgebildet oder geführt werden sollen. Und in der Tat sind die Erfolge in der Praxis sichtbar. Wurde ich vor 20 Jahren von meinem Ausbilder lautstark daran erinnert, dass ich der Arsch vom Dienst (AvD) bin und ich mir meine Rechte erstmal ganz hochselbst verdienen muss, so vereinbaren wir heute mit unseren Kollegen, welche sich in der Ausbildung befinden, smarte Ziele. Wir loben und ermuntern und aus meiner Sicht durchaus erfolgreich. In der Schule das gleiche Bild. Schrieb man früher in einem Halbjahr drei Fünfen, da war auch mit der mündlichen Note nichts zu holen. Heute gibt es eine pädagogische Note. Die ehrenwerte Absicht stets vorausgesetzt, kann der vom Schüler überzeugte Lehrer diesen bis zum Abitur schleifen, obwohl der Schüler selbst den Arsch kaum hochbekommt. Im Studium explodiert dieser dann evtl. doch noch zur Höchstleistung. Und im Fernsehen sieht man dann Menschen, die den Bauern als Leichenfresser beschimpfen und Parallelen zum dritten Reich ziehen. Unabhängig davon ob man dies für sich als Wahrheit empfindet, kann das Vorgehen der allgemeinen Lehre nach nicht von Erfolg gekrönt sein. Also meine Meinung: seid Vorbilder, sprecht positiv über Eure Erfahrungen und steht bei Bedarf mit Rat und Tat zur Seite! Und ich?

Ende der 90er hatte ich die ersten konkreten Berührungspunkte mit tierproduktfreier Ernährung. Es war stets spannend, gelegentlich sogar geheimnisvoll. Leider sind mir zuviele Menschen begegnet, deren Eifer groß war, mir zu erklären, welch Umwelt-Fleich-Arschloch ich bin, anstatt ein hervoragendes und leckeres tierproduktfreies Essen zu servieren. Mitte 2000 der nächste Versuch zumindest auf Fleisch zu verzichten. Es gab nur noch Salat und mit fettem Käse überbackenes Gemüse. Was für eine Qual. Ende 2010 der nächste Versuch. Diesmal erfolgreich. Yeah! Und es kann so einfach sein: Ich habe mir eine Liste dessen gemacht, was ich gerne esse. Angefangen bei Frikadellen mit Kartoffeln, Gemüse und Sauce Hollandaise bis hin zu Grünkohl mit Pinkel. Alles unterteilt in Vorspeisen, Hauptspeisen und Nachspeisen. Die Gerichte habe ich mit Noten bewertet und mir dann jedes Gericht angeschaut und überlegt, was ich daran so gerne mag. Z. B. esse ich total gerne Reis mit Bohnen (früher noch Hackfleisch dazu). Dann die Variante mit Fleisch gekocht und dann die Variante ohne Fleisch. Verglichen. Top! Es war nicht das Fleisch, es waren die Bohnen. Das hat ein paar Tage gedauert, aber am Ende war klar, dass ich stets das essen kann, was ich gerne esse. Und das ist bis heute immer noch nicht so sehr der Salat. Wenn man den eigenen Speiseplan anschaut, dann merkt man erst, wieviele tierproduktfreie Speisen man schon zu sich nimmt. Es ist einen Versuch wert. Ja, ich bin ein Releggie! ;-)

1 Kommentar:

  1. Ich mag das Wort "vegan" irgendwie auch nicht, es ist einfach zu negativ konnotiert. Und genau wie du mag ich auch nicht in einen Topf gehauen werden mit allzu übereifrigen Followern, die mehr schaden als nützen. Allerding merke ich auch, wie schwierig es ist, ruhig und sachlich zu bleiben wenn man dann doch eine Diskussion ans Knie genagelt bekommt. Könnte mich manchmal im Nachhinein selbst ohrfeigen, denn einiges hätte ich anders ausdrücken können etc. Man verliert so schnell die Normalesser-Perspektive und kann gar nicht mehr nachvollziehen, dass alle anderen denken, dass vegane Ernährung Mangelernährung ist. Dass man Milch braucht, dass man Fleisch essen muss und alle die das nicht tun, Tablettenfresser sind...

    Wie auch immer, ich hab deinen Blog mal in meine Netzwerkliste aufgenommen weil du so ineressant schreibst. :) Ich will bei dir öfter mal vorbeischauen. http://achtungpflanzenfresser.wordpress.com/vegan-blogs/

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